„Ich kann gefühlt 400 Prozent geben“
Selbstverwirklichung als Selbstständige: Für Anja Michel hat sich der Schritt in die Freiberuflichkeit gelohnt. Die Wahl-Berlinerin arbeitet seit knapp zwei Jahren als Freelance Creative Art Direktorin in der Werbung und genießt es, neue Formate auszuprobieren und Branchen kennenzulernen, in denen sie bisher noch nicht gearbeitet hat. Die Zeit zwischen den Buchungen nutzt sie, um sich durch Pinsel und Farben neu inspirieren zu lassen oder sich um ihr Künstlerkollektiv „Friends with Benefits“ zu kümmern, das sie vor zwei Jahren mit Kreativ-Partnerin Lisa Freudenthaler gegründet hat. Im Interview spricht Anja über ihren Weg in die Selbstständigkeit, den Vorteil, eine Kampagne mit „frischen Augen“ zu betrachten und Chancen, die sich aus Durststrecken ergeben.
Hey Anja, wie wird man Freelance Creative Art Direktorin? Kannst du deinen Werdegang beschreiben?
Ich habe Kommunikationsdesign studiert, war danach an der Miami Ad School und bin dann relativ schnell bei der Berliner Kreativagentur Heimat gelandet. Dort war ich fünf Jahre angestellt. Im Anschluss habe ich noch bei einem Startup gearbeitet, aber für mich war danach ziemlich schnell klar, dass ich Freelancerin werden möchte. Und nach zwei Jahren in der Selbstständigkeit bin ich immer noch sehr happy damit.
Was bietest du deinen Kunden? Warum wirst du gebucht?
Das ist sehr verschieden. Grob würde ich es mit Art Direktion, Design und Konzept zusammenfassen. Aber die Schwerpunkte sind ganz unterschiedlich. Bei der Konzepterstellung für Kampagnen geht es darum, einen großen Gedanken zu finden, diesen visuell umzusetzen und in Tonalität, Look und Design zu übertragen. Ich war aber auch schon auf einem Projekt gebucht, wo ich drei, vier Wochen Namen und Branding für ein neues Produkt gebrainstormt habe. Genau das gefällt mir an der Selbstständigkeit, dass der Schwerpunkt einer Buchung immer anders ausgerichtet ist. Auf diese Weise lerne ich bei fast jedem Job etwas Neues.
Stichwort Selbstständigkeit: Wie kam es zur Entscheidung, Freelancerin zu werden?
Ich habe das gar nicht geplant. Auf einmal stand ich vor der Entscheidung: Gehe ich in die nächste Festanstellung – oder versuche ich es als Freelancerin? Ausschlaggebend war, dass sich zu dem Zeitpunkt mehrere ehemalige Kollegen um mich herum selbstständig gemacht haben. Die haben mir ein bisschen Mut gemacht. Nachdem ich die Entscheidung für mich getroffen habe, hat es sich von Tag eins an richtig angefühlt. Am Anfang habe ich mich natürlich gefragt: Kann ich mit der Unsicherheit leben? Ist mein Netzwerk groß genug? Und was mache ich, wenn ich keine Jobs bekomme? Doch heute bin ich auf dem Stand, dass es mir Spaß macht, wenn ich nicht immer genau weiß, was morgen kommt.
Gibt es noch weitere Vorteile, die dir die Selbstständigkeit bietet?
In einer Festanstellung passiert es schnell mal, dass man ein bisschen stagniert, mit gewissen Kollegen nicht klarkommt oder das Arbeitsumfeld nicht dem entspricht, was man sich vorstellt. Als Freelancerin gibt es für mich den positiven Aspekt, dass ich temporär sehr schnell, effektiv und konzentriert arbeite. Ich kann gefühlt 400 Prozent geben, weil ich weiß, dass ich das jetzt einen oder zwei Monate mache und dann ist es vorbei. Durch die vielen neuen Projekte und Agenturen und das wechselnde Umfeld bleibt das Fahrwasser frisch. Für mich ist das ein Segen, weil ich mich schnell in neue Situationen einfühlen kann.