Beate Hild, Personalleiterin

„Im Mittelstand wird noch zu oft in Prozessen statt in Projekten gearbeitet“

Beate Hild arbeitet seit über 30 Jahren als Angestellte und freiberufliche Personalleiterin in mittelständischen Unternehmen. Daher weiß sie genau, wie der sogenannte „Motor der deutschen Wirtschaft“ tickt. Und sie sieht auch, dass viele Unternehmen durch unflexible Strukturen, hierarchisches Denken und einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber Veränderungen in ihrer Entwicklung ausgebremst werden. Im Gespräch mit Berliner Zinner featuring Mehlhose erklärt sie, warum es bei vielen Mittelständlern Vorbehalte gegenüber Freiberufler*innen gibt, welche Fähigkeiten Berater*innen brauchen, um akzeptiert zu werden und wie sich traditionelle Unternehmen verändern müssen, damit sie in Zukunft mithalten können.

Hast Du in der Vergangenheit in deiner Rolle als Personalleiterin mit Freiberufler*innen und Interimer*innen zusammengearbeitet?

Nicht mit Interimer*innen. Die Managementebene wird bei Mittelständlern meistens intern besetzt. Im Rahmen eines Projekts wäre das eher möglich. Berater, mit denen ich zu tun hatte, waren meistens angestellte Berater von großen Beratungsfirmen aus den Big4, wie PwC oder KPMG. Gegenüber freiberuflichen Beratern bin ich generell erst einmal skeptisch. Es sei denn die Person ist ein ausgewiesener Experte und hat sich über Publikationen und Keynote-Vorträge einen Namen gemacht.

Würdest Du bei Bedarf überhaupt daran denken, Freiberufler*innen einzusetzen?

Ja, für Spezialaufgaben, wie zum Beispiel der Einführung einer digitalen Personalakte, könnte ich mir das vorstellen. Es ist aber gar nicht so einfach kompetente Freiberufler oder Beratungs-Boutiquen, wie HRGlobal oder HR Pepper zu finden. In dem Bereich gibt es keine Transparenz und Visibilität. Und die großen Gesellschaften sind zu teuer und haben wahrscheinlich nicht das richtige Konzept. Mittelgroße Beratungen passen denke ich am besten. Bei Bedarf würde ich erst einmal auf Empfehlungen vertrauen – entweder aus meinem Netzwerk oder von einem der Personalverbände, wie zum Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. oder dem Bundersverband der Personalmanager.

Warum hat sich projektbasiertes Arbeiten und der Einsatz von freiberuflichen Berater*innen im Mittelstand noch nicht durchgesetzt?

Im Mittelstand wird noch zu oft in Prozessen statt in Projekten gearbeitet. Die Mitarbeiter*innen haben nicht gelernt, ihre Ziele durch Projekte zu erreichen, die neben dem Tagesgeschäft laufen. Aber es gibt Hoffnung. Die Unternehmen, die zum Mittelstand zählen, sind sehr divers – abhängig von Investoren oder der Generation, die am Steuer sitzt.

Wie müssen sich Organisationen verändern, damit sie schritthalten können?

Das Wichtigste ist die interne Kommunikation. Die ältere Generation ist sicher offen für neue Dinge, aber dafür müssen Berater*innen die Geschäftsführung, die häufig Anfang oder Mitte Fünfzig ist, auch abholen. Zusätzlich müssen externe Berater*innen reingeholt werden, damit es zu einer echten Veränderung kommt. Der Vorteil dabei wäre, dass es einen Impuls gibt und ein Projekt befristet ist.

Wie müssen Berater*innen sein, damit sie im Mittelstand akzeptiert werden?

Nicht zu jugendhaft. Berater*innen müssen eine gewisse Seniorität und Seriosität ausstrahlen, das verleiht Glaubwürdigkeit. Außerdem müssen sie ein Verständnis für die Sprache der alten und der neuen Welt besitzen und als Übersetzer*in fungieren. Aber am wichtigsten ist letzten Endes natürlich, was sie leisten. Sie müssen ein gutes Konzept haben – und müssen darüber hinaus auch in der Lage sein, es umzusetzen.

In welchem Bereich wäre beispielsweise eine Veränderung nötig?

Im klassischen Vertrieb, das ist noch eine traditionelle Männerwelt, die nach dem Prinzip „Wining and dining“ funktioniert. Das heißt, dass die Männer beim Geschäftsessen Preisabsprachen treffen. In der neuen Welt dagegen gibt es junge, dynamische 40-Jährige, die keine Zeit für dafür haben, weil sie sich auch um ihre Familie zu Hause kümmern möchten, und Arbeits- und Privatleben darüber hinaus strikt voneinander trennen. Einer Organisation muss es gelingen, den Vertrieb auf die veränderte Kundenwelt anzupassen, sonst gehen massiv Umsätze verloren.

Spielt die Generation der Geschäftsführer*innen eine Rolle?

Ja, natürlich. Ein 80-Jähriger ist selten offen für Veränderung; auch 50- bis 60-jährige Geschäftsführer tun sich damit schwer. Aber manchmal lassen sie sich von der jüngeren Generation mitnehmen.

Wie werden Berater*innen in einer Organisation eingebunden? Liegt die Verantwortung bei Personalabteilung oder beim Einkauf?

Im Mittelstand entscheidet der Geschäftsführende alleine oder in Zusammenarbeit mit HR. Der Einkauf spielt keine Rolle.

Sollte nicht die Personalabteilung für externe Personaler*innen in einer Organisation verantwortlich sein?

Eigentlich schon, in jedes Projekt, das mit externen Berater*innen bestückt wird, sollten zumindest bei der Auswahl der Berater, Personaler*innen einbezogen werden. Es geht darum, Prozessentwicklungen zu antizipieren und rechtzeitig den Betriebsrat zu involvieren, wenn es gegebenenfalls um Sozialpläne geht, zum Beispiel durch eine Mitarbeiterreduzierung.

Wie stehen Unternehmen einer Nebenbeschäftigung von Arbeitnehmer*innen gegenüber?

Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Mittelständler das kritisch sehen. Rechtlich ist es kein Problem, wenn die Nebentätigkeit zeitlich und inhaltlich nicht in Konkurrenz zur Anstellung steht und vom Arbeitgeber genehmigt wurde. 

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