Zurück zum unternehmerischen Geist: Erkennst du den zuvor beschriebenen Spirit auch bei Freelancern? Ist Freiberuflichkeit ein notwendiger Zwischenschritt zum Unternehmertum?
Der Wunsch, sich selbständig zu verwirklichen, seine eigenen Ideen auszuprobieren und zu realisieren, Verantwortung zu tragen und seine Arbeit selbst einzuteilen – dies sind alles potentielle Motivationsfaktoren, die bei Unternehmensgründern und auch bei Selbständigen gefunden werden können.
Die USA gelten als ein Land mit ausgeprägtem Unternehmertum. Was können wir uns abgucken?
Naja, den Deutschen ist Unternehmergeist nicht fremd. Es gab und gibt auch hierzulande viele grandiose Unternehmer. Jedoch präsentieren diese ihre Leistungen viel seltener pompös in der Öffentlichkeit. Im angelsächsischen Kulturraum hingegen, und vor allem in den USA, sind die Unternehmer die Superstars. Zur Show gestelltes Unternehmertum und Gründergeist werden sehr geschätzt; jedes Kind kennt bekannte Unternehmerpersönlichkeiten wie Steve Jobs, Elon Musk, Bill Gates oder Jeff Bezos. Sie sind Vorbilder, denen es nachzueifern gilt. Die Folge davon ist, dass Unternehmensgründungen bereits im College beliebt sind.
In Deutschland dagegen sind berühmte Gründer unter Schülern weitaus weniger bekannt und sie haben nicht diesen Rockstar-Status wie in den USA. Traditionell werden finanziell erfolgreiche Unternehmer in der öffentlichen Meinung argwöhnisch beäugt. In den USA wird auf Erfolg weniger mit reflexartigem Neid und öfter mit Bewunderung reagiert. Ich meine jedoch zu erkennen, dass sich in den vergangenen Jahren etwas getan hat. Der Trend zu neuer Selbständigkeit schwappt langsam aus den USA herüber, was nicht zuletzt der Erfolg von Fernsehformaten wie „Die Höhle der Löwen“, in denen Gründer um Finanzierung ihrer Startup-Ideen buhlen, belegt. Gründen wird wieder „cool“ – was wirtschaftlich und politisch gewollt ist. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Corona-Krise, mit Problemen für viele Klein- und Kleinstunternehmer, diesen Trend wieder zunichte macht.
Braucht Deutschland eine Kultur des Scheiterns?
In Deutschland, und auch ganz besonders in Frankreich, wird das Scheitern als Gründer sowie eine Insolvenz als persönliches Scheitern angesehen. Der Unternehmer muss mit dem Stigma des Scheiterns klarkommen und gilt bei Investoren und Banken schnell als „verbrannt“. In den USA wird mit Misserfolgen und Rückschlägen anders umgegangen. Dort wird Scheitern eher als Teil des Unternehmertums gesehen. Es gibt viele Beispiele erfolgreicher Unternehmer, die erst scheiterten, aber dann schnell eine zweite Chance bekamen. Risiko, allerdings auch Gläubigerschutz, werden dort anders gesehen. Letztendlich lässt sich schlecht abschätzen, was denn nun besser ist. Vielleicht sind deutsche Gründer und Investoren bedachter und vorsichtiger in ihrer Risikoabschätzung. Das mag zu weniger kapitalen Fehleinschätzungen führen – aber eben auch zu verpassten Chancen und Innovationen.
Fabian Bernhard auf linkedin