„Berlin ist nicht nur hipp und edgy, sondern auch dreckig und prekär“
Warum sollten sich Freelancer an die Agentur für Arbeit wenden – vor allem, wenn Sie nicht aus Deutschland kommen? Auf den ersten Blick sprechen nicht allzu viele Gründe dafür.
„Die Integration in eine versicherungspflichtige Beschäftigung hat Priorität, weil das Arbeitslosengeld 1 und alle weiteren Dienstleistungen der Agentur für Arbeit vorrangig durch die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile der Arbeitslosenversicherung finanziert werden. Darum gibt es auch gesetzlich vorgesehen den Vorrang der Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung, was sich auch in unserem Beratungsansatz zur Arbeitsmarktintegration widerspiegelt“, erklärt Nadja Voigt, Beraterin bei der Arbeitsagentur Berlin. „Für Ausländer gibt es keine Extra-Beratung – und Beratungen zur Selbständigkeit/ Freelancing finden in der Regel nur dann statt, wenn der Vorrang der Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht gegeben ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Agentur für Arbeit eine Selbständigkeit dann sogar unterstützen.“
Deutsch als Amtssprache
Die 35-Jährige hat in der Vergangenheit neben Geisteswissenschaftlern auch Künstler und Kreative wie Musiker, Sänger, UX-Designer, Maler, Skulpteure bezüglich der Integration in den Arbeitsmarkt beraten und vermittelt. Seit Dezember 2019 ist sie branchenübergreifend für akademische Berufe zuständig.
Ein zweites großes Hindernis für Freelancer mit internationalem Hintergrund ist, dass das Serviceangebot der Behörde in erster Linie auf deutschsprachige Arbeitssuchende ausgerichtet ist. „Bei der Agentur für Arbeit gemeldet zu sein, heißt, beidseitig Rechte und Pflichten einzugehen, wir befinden uns also auch in einem rechtlichen Kontext. Und aufgrund der offiziellen Amtssprache deutsch liegt es daher auch in der Verantwortung der Kunden, dass sie sprachlich alles richtig verstehen und zum Beispiel mit einem Übersetzer kommen.“
Gibt es eine tragfähige Perspektive?
Auf den zweiten Blick macht es aber durchaus Sinn, die Anlaufstellen der Agentur für Arbeit zu nutzen – auch für internationale Freiberufler. Im Fokus steht eine tragfähige Perspektive der Integration in den Arbeitsmarkt. Im Rahmen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann es in diesem Zusammenhang durchaus vorkommen, dass die Arbeitsagentur Freiberufler dazu berät, eine Teilzeitbeschäftigung anzunehmen, um die Grundsicherung zu garantieren.
„Es kommt auf die individuellen Lebensumstände an“, bestätigt Voigt. „Gerade bei Künstlern und Kreativen war es bei mir in den vergangenen Jahren tatsächlich häufig ein Thema, sich doch auch eine Teilzeitbeschäftigung zu suchen, um neben der Selbstständigkeit eine Konstante zu haben.“
Voigt ist sich allerdings nicht sicher, ob die Wahl eines freien Berufs für jeden die richtige Lösung ist.